Engelspause

Dr. Jonas Steeger

Großbritannien hat während der industriellen Revolution eine so genannte Engelspause erlebt. Die Löhne stagnierten, während das BIP explosionsartig wuchs. Heute erleben wir eine ähnliche Situation. Befinden wir uns auch in dieser misslichen Situation? Und was bedeutet das?


Über BIP & Reallöhne

In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren war die deutsche Wirtschaft - gelinde gesagt - interessant. Deutschland hat sich als recht widerstandsfähig erwiesen. Die Wirtschaftskrise hat sich zweifellos um 2008/09 bemerkbar gemacht. Entlassungen und Zeitarbeit stiegen in die Höhe und die für Deutschland wichtige Exportquote sank.

Eine interessante Möglichkeit, die Auswirkungen der Finanzkrise 2008/09 zu veranschaulichen, ist das Verhältnis der notleidenden Bankkredite. Der fallende Trend wurde während der Krise unterbrochen und in Deutschland gab es eine Zunahme neuer Non-Performer.



Doch die deutsche Wirtschaft erholte sich schnell und ging bald wieder auf dem guten, alten und gewohnten Wachstumskurs voran. Notleidende Kredite gehören der Vergangenheit an (... wobei die Rate wieder steigt) und die Beschäftigungsrate ist heute auf einem historischen Höchststand. Kein Wunder, dass die ebenso bekannte Diskussion über den Arbeitskräftemangel wieder in diversen Schlagzeilen prankt.

Wenn das Arbeitsangebot gering ist, sollten die Löhne steigen.

Der angenommene Mangel ist jedoch umstritten. Die Argumentation ist einfach: Knappheit dürfte sich in steigenden Löhnen niederschlagen. Hohe Nachfrage und geringes Angebot bedeuten höhere Preise, oder? Aber die Reallöhne sind in letzter Zeit - im Durchschnitt - recht stabil geblieben.

In der Tat, zwischen 2000 und 2017 stiegen die durchschnittlichen Jahreslöhne lediglich um etwa 6.000 US-Dollar (von ca. 42 $k bis 48 $k in konstanten Preisen 2017 USD KKP). Unterdessen hat sich das BIP pro Arbeitskraft - ein Indikator für Produktivität und Wachstum - in der gleichen Zeit fast verdoppelt.



Nach dem klassischen Angebot-Nachfrage-Theorem sollte eine Situation mit niedrigem Arbeitsangebot, hoher Nachfrage und niedrigen Löhnen nicht wirklich existieren. Bei perfekten Märkten zumindest nicht .... Warum haben wir es dann trotzdem damit zu tun? Ist das Arbeitsangebot vielleicht doch nicht knapp?

England und die Engelspause

Vielleicht ist das Arbeitskräfteangebot weniger knapp als allgemein angenommen. Aber möglicherweise haben wir es mit einem anderen Phänomen zu tun: ein Matching-Problem.

Interessanterweise ist diese Situation nicht neu. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erlebte das Vereinigte Königreich eine ähnliche Situation aus erster Hand. Diese Zeitspanne wird allgemein als Engelspause bezeichnet.

Warum Engels?

Friedrich Engels beschrieb die Situation, in der die Reallöhne stagnierten, während das BIP in Großbritannien explosionsartig wuchs, in seiner berühmten Abhandlung The Condition of the Working Class in England. Der britische Wirtschaftshistoriker Robert C. Allen bennante daher die Zeit zwischen 1820 und 1840 "Engelspause".

Aber neben dem Verhältnis zwischen Lohn und Produktivität scheinen auch andere Umstände den heutigen Schlagzeilen zu ähneln:

  • Die Einkommensungleichheit wuchs deutlich an.
  • Die Urbanisierung nahm zu, da immer mehr Menschen in den Städten leben wollten.
  • Erste Anzeichen eines bahnbrechenden technologischen Wandels - nämlich der industriellen Revolution - tauchten am Horizont auf.
  • Die Frustration unter der Arbeiterklasse wuchs und ein Aufruhr für den politischen und wirtschaftlichen Wandel kam bald zum Tragen.

Wie wir heute wissen, setzte sich die Massenproduktion durch und katapultierte Großbritannien zu neuen Höchstständen und einer langfristigen Position an der Spitze des globalen Wirtschaftswachstums.

Im Vergleich dazu war die Engels-Pause - im Nachhinein gesehen - eher kurzlebig. Aber es dauerte noch ein paar Jahrzehnte. Ab etwa 1840 stiegen die Löhne wieder an und begannen, sich wieder parallel zum BIP pro Arbeitskraft zu bewegen.


BIP und Reallöhne im Vereinigten Königreich im 19. Jahrhundert

Warum stiegen die Löhne nicht schneller?

Diese Frage ist unter Ökonomen heißt diskutiert. Eine Erklärung ist die bloße Verteilung der Arbeit. Der technologische Fortschritt im Agrarsektor führte zu einer Landflucht. Es wurden schlicht weniger Landarbeiter gebraucht. Die Stadtbevölkerung wuchs und das Arbeitsangebot in diesen Gebieten übertraf bei weitem die Nachfrage.

Die Fabriken liefen dennoch bereits gut los. Dadurch wuchs das BIP pro Arbeitnehmer, aber der Wettbewerb unter den Arbeitnehmern hielt die Löhne in den Städten und in den Fabriken niedrig.

Darüber hinaus waren die für den Betrieb von Maschinen und dergleichen erforderlichen Fähigkeiten nur unzureichend vorhanden. Einen Job zu bekommen bedeutet oft, ehemalige Einkommensniveaus zu opfern. Die Alternative war überhaupt kein Job. Es dauerte einige Zeit, bis die Arbeiterausbildung das lieferte, was das neue Arbeitsumfeld verlangte.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Arbeitskräfteangebot war nicht knapp - aber die Art der angebotenen Arbeit und die Nachfrage passten wenig zusammen.

Die Rolle des Kapitals

Ein Teil der Engels-Pause ist die Ansammlung von Kapital. Mit dem rasanten technologischen Fortschritt steigt die Sparquote. Investoren sparen Geld, um in die Verbesserung der Prozesse und neue Technologien zu investieren. Eine Engels-Pause fällt daher tendenziell mit der Vermögensbildung zusammen.

Die Ähnlichkeit mit dem 21. Jahrhundert ist auffallend.

Ein Blick auf ein paar Jahrhunderte ist fast wie ein Blick in einen Spiegel der Zeit. Die heutigen Bedingungen wie die Rolle intelligenter Technologien, die Ungleichheit bei der Verteilung des Reichtums und der Wandel der Arbeitskräfte führen zu einer auffallenden Ähnlichkeit.

Also, befinden wir uns heute auch in einer Engelspause? Es bleibt abzuwarten. Aber es ist in der Tat möglich.

Besonders das sich abzeichnende Damoklesschwert - also die Künstliche Intelligenz - soll die Belegschaft erheblich verändern. Eine schnell wachsende Technologie in Arbeits- und Angestelltenberufen könnte wieder zu einem schwachen Lohnwachstum, Entlassungen und übermäßigen Kapitalzuführungen durch Kapitalgeber führen. Kurz gesagt, wir haben es vielleicht doch noch mit einer weiteren Engels-Pause zu tun.

Differenzierung und Globalisierung

Die heutige Wirtschaft hoch komplex. Die Löhne sind im Durchschnitt relativ gesehen stagnierend. Die Löhne in bestimmten Berufen (z.B. im Bereich der Informationstechnologie) sind jedoch im Laufe der Zeit enorm gestiegen. Darüber hinaus spielt die Globalisierung eine wichtige Rolle. Unter anderem wirkten sich die Osterweiterung der EU und der damit verbundene Zustrom von Arbeitskräften direkt auf das Durchschnittslohnniveau aus.

Die Transformation muss jetzt stattfinden.

Was gibt es zu tun? Zum einen empfehlen wir, die allgemeine wirtschaftliche Situation genau zu beobachten. Es ist wichtig, dass Unternehmer, Arbeiter und Berater - alle Teilnehmer der Gesellschaft um ehrlich zu sein - die beschriebene Dynamik im Auge behalten. Doch auf Politik und Gesetzgebung sollten wir nicht warten. Es gilt die Veränderung jetzt anszustoßen - und damit meinen wir Unternehmer/innen.

Insbesondere der deutsche Mittelstand und Familienunternehmen werden hier angesprochen. Auch Branchenführer können ihre Postion verlieren, wenn sie nicht in wendigere Unternehmen verwandelt werden, die mit den Schlägen einer immer turbulenteren Weltwirtschaft mithalten können. Investitionen in neue Technologien und die Ausbildung von Arbeitskräften sind jetzt erforderlich. Die deutsche Automobil- und Handelsbranche erzählt bereits einen Teil dieser Geschichte.

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